Fertigstellung

A 71: Eine Ziffer mit reichlich Gewicht

ILM-KREIS. So ein Schrägstrich ist bequem: Man male auf die vielen Schildern an den einzelnen Bauwerken der Thüringer-Wald-Autobahn vor allem in der Nähe der Kammquerung einfach keinen genauen Termin, sondern halte sich ein wenig unkonkreter. Nun mag bei Milliardenprojekten wie diesem die zwangsweise Festlegung auf einen Tag der Fertigstellung tatsächlich schwierig sein. Doch bei der Trennschärfe Monat oder etwa Quartal blieb auch keiner stehen. Das Jahr 2002 steht an den Abschnitten bis kurz vor den Alte-Burg-Tunnel. Danach wächst die mögliche Terminspanne auf immerhin 730 Tage - Fertigstellung 2002/2003 heißt es da.
Solche Freizügigkeit lässt Raum für viele Auslegungen. Ist es die knallharte Forderung des Mitbauherren oder nur großer Optimismus, der Thüringens Wirtschaftsminister Franz Schuster (CDU) noch im Mai 2000 in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage aus der eigenen Fraktion exakt erklären lässt: Welche Bauabschnitte werden bis zum Jahre 2002 in Betrieb genommen: "...im Zuge der Bundesautobahn A71 südlich der Anschlussstelle Erfurt-Bindersleben die Abschnitte Traßdorf - Ilmenau-Ost, Ilmenau-Ost - Geraberg, Geraberg - Zella-Mehlis-Nord, Zella-Mehlis-Nord - Suhl, Suhl - Autobahndreieck Suhl, Autobahndreieck Suhl - Rohr auf einer Gesamtlänge von 40,6 Kilometer..."
Joachim Rolle, Baubevollmächtigter des DEGES im Kammquerungsabschnitt allerdings stapelt anscheinend lieber tief. Er spricht in Sachen Verkehrsfreigabe vor allem bei den großen Tunnels nach wie vor vom Jahr 2003.
Auch Andreas Maruschke, Pressesprecher im Thüringer Wirtschaftsministerium, hat als Erklärung für diesen Widerspruch allzu Menschliches parat: Während sich der eine natürlich Platz für die Unwägbarkeiten eines bisher einzigartigen Tunnel- und Brückenbaus frei halten möchte, sei es die Aufgabe der Politik, aufs Tempo zu drücken. Auch sei er zuversichtlich, dass letztlich zwischen den Terminen 2002 und 2003 nicht unbedingt 700 Tage sondern nur wenige Wochen liegen werden.
Dies ist auch notwendig, denn im Kleingedruckten der Planfeststellung findet sich die Feststellung, dass auf speziellen Wunsch der Gemeinde Geschwenda die Anschlussstelle auf dem Geschwendaer Berg (und damit auch die ganze Strecke von Ilmenau-West bis hierher) erst dann in Betrieb geht, wenn auch der Tunnelabschnitt fertig ist. Und noch eine Forderung steht: Auch der zugesagte Autobahnzubringer "B 88 neu" über Kammberg und Hanftal soll bis zum Übergabetermin fertig sein. Doch dessen Bau hat - zumindest offiziell - noch gar nicht begonnen.
Da nützt also kein ehrgeiziges 2002-Postulat an den Brücken über Reichenbach und Zahme Gera - sie könnten im schlimmsten Fall das skurrile Schicksal des Bündelungsabschnittes vom Sommer 1998 teilen, nämlich teuerster Radweg der Welt zu sein.
Eine Aussicht, die zwar für einige Schlagzeilen gut ist, aber nicht für den Industrie- und Gewerbestandort an der Anschlussstelle auf dem Geschwendaer Berg - immerhin Platz zwei auf der theoretischen Rangliste des Regionalen Entwicklungskonzeptes der Technologieregion Ilmenau.
Henry TREFZ

(Dieser Beitrag erschien am 28. August 2000 in der Thüringer Allgemeine

 

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