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A B S C H N I T T E

Veröffentlicht:

Januar 2000 Thüringer Allgemeine

Angelroda und Neusiß: Zwei durchaus vitale Zünglein an der Geratal-Waage

Geheimtipps: Kleinod unterm Viadukt - und Pferdesportmagnet

Von Henry TREFZ

So ruhmreich die Geschichte der beiden kleinsten Geratalorte auch ist - immerhin hält Angelroda mit inzwischen 1052 Jahren unangefochten den Altersrekord - die jüngere Geschichte kann sich genauso sehen lassen. In den Zeiten der geteilten Kreise  mit den  natürlichen Schwierigkeiten der Grenzlage geschlagen - immerhin war hier nicht nur Kreis- sondern vier Jahrzehnte auch Bezirksgrenze - rückten die beiden Dörfer nach ihrer „Hochzeit" mit den drei größeren aus dem Süden deutlich ins den Mittelpunkt des Interesses.
Daneben - wie so oft in der Geschichte - ging allerdings der Versuch des Überholens ohne einzuholen. Anfang der 90er Jahre hatte die Vision eines zukünftigen Vogelparkes alle in ihren Bann gezogen. Auf einen Schlag so bekannt wie der Heidepark Soltau oder der Vogelpark Walsrode - dafür gaben viele Bauern auch einen Schlag her von ihrem Land. Dass es ein dubioser Glücksritter war, auf den man herein fiel, diese Erfahrungen war ebenso schmerzlich wie heilsam. Das sollten alle im Hinterkopf haben, die mit gar zu abenteuerlichen Ideen in die Amtsstuben schneien.
Denn Bodenständigkeit ist es, was den Menschenschlag hier auszeichnet. So haben die Neusißer seit Jahr und Tag ihr Reitturnier, das einmal im Jahr Schlagzeilen macht. Und sie haben seit Jahr und Tag eine Gaststätte, die mit Preisen und Gerichten wie zu früheren Zeiten immerhin ein echter Geheimtipp ist. Und sie haben eine  Jugendfeuerwehr, deren Chef Ingolf Damerius wie ein Wilder ackert, damit alle Floriansjünger im Geratal etwas davon haben. Und sie haben eine Straßenausbaubeitragssatzung, die ohne Proteste in Kraft trat. Und sie sind eine der kleinsten, noch selbständigen Kommunen im ganzen Freistaat. Und ihr Bürgermeister  Eberhard Günschmann liebt es nicht so sehr, dass um diese Besonderheiten viel Wind gemacht wird.

Und darin immerhin unterscheidet er sich von seinem Amtskollegen im nur wenig größeren Nachbarn Angelroda. Udo Lämmer zählt zu den bekanntesten Bürgermeistern im llm-Kreis. Gäbe es hier eine Late-night-Show, der  Mann wäre erste Wahl für den Talkmaster. Sein loses Mundwerk hat die Mischung aus Münchhausen und Stülpner-Karl in den Amtsstuben landauf, landab berühmt-berüchtigt gemacht. Zum Poltergeist kann er werden, wenn ihm leidige Paragraphen im Wege stehen, bei der Fortentwicklung  seines Dorfes. Mit gelinde formuliert unkonventionellen Mitteln aber erreichte er nicht selten dass, was andere für absolut ausgeschlossen hielten.
Ein Wohngebiet hinterm Viadukt, wo die Landesplanung ihm die Wohnfunktion nicht zuerkennen wollte (in der VG erinnern sich viele an den Brül1er, den er tat, als er es erfuhr).
Den nunmehr fest anvisierten Bau des  Regenrückhaltebeckens, mit dem ihn andere auf den   Sankt-Nimmerleinstag vertrösten  wollten.  Dass  er auch dazu lernen kann, bewies er, als er die „gegnerischen"
Naturschützer listig in den Gemeindesaal lockte und hernach das empörte Volk aussprechen ließ, was  natürlich auch er meinte.
Den Bau der Gemeindestraße zwischen Angelroda und Geraberg zum Nulltarif. Sein politisches Gesellenstück, damals zusammen mit dem Amtsbruder im Geiste Günther Irrgang ausgedacht.
Die als landwirtschaftlichen Weg getarnten Straße nach Rippersroda (wenn nun auch noch die Nachbarn seine Strategie kopieren würden...)
Das Dorfgemeinschaftshaus (sein geduldiges Tauziehen mit der Denkmalbehörde ist fast legendär.
Und ähnlich wird es mit dem Schützenhaus gehen, wenn es in Bälde fertig ist. Dass er quasi nebenbei eine Heimatstube Stück für Stück im alten Gutshaus einrichtete, die im weiten Umkreis ihresgleichen sucht, ist da schon ziemlich selbstverständlich.

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